Diesem Velo sieht man das E-Bike gar nicht an

Mit schicken E-Bikes zu günstigen Preisen will der estnische Hersteller Ampler die Schweiz erobern. Neu gibts sogar einen Showroom in Zürich. Wir haben eine erste Testfahrt gewagt.

TextLorenz Keller

Auf dem Markt für Elektro-Velos tut sich einiges. Neben den etablierten Herstellern stellen auch junge Unternehmen eigene Bikes vor, die ganz auf die digitale Welt ausgerichtet sind. Einer der neuen Brands heisst Ampler und kommt aus Estland. Die Besonderheit: Diesem Velo sieht man das E-Bike gar nicht an.

Zweite Generation im Schweizer Showroom

Auch wenn der Markenname für uns noch ganz neu tönt, gibts den Hersteller bereits seit 2016. Und seit diesem Frühling wird bereits die zweite Generation der E-Bikes produziert. Seit Juni gibts nun in Zürich auch einen Showroom mit Werkstatt – damit wird die Schweizer Präsenz noch weiter erhöht.

Das ist natürlich auch sehr sinnvoll. Denn die Ampler E-Bikes werden primär online vertrieben – wie so viele andere Velos von aufstrebenden Start-ups auch. Doch ein Zweirad kauft man sich kaum, ohne es vorher mal gefahren zu sein.

Bisher setzte Ampler auf Ambassadoren in Basel, Bern und Zürich, die einem eine Probefahrt ermöglichten. Momentan sind aber nur die Velos der ersten Generation verfügbar. Im neuen Showroom in Zürich kann man nun alle aktuellen Modelle anschauen, ausprobieren und auch bestellen.

Und ein genauer Blick lohnt sich auf jeden Fall. Einerseits weil sich die Ampler-Bikes optisch von der Mehrheit der Elektro-Velos unterscheidet. Andererseits weil es gleich fünf unterschiedliche Modelle zur Auswahl gibt.

So unterscheiden sich die fünf Ampler-Bikes

Wichtig zu wissen: Die fünf Varianten bauen auf demselben technischen Fundament auf. Motor, Batterie und Ausstattung sind bei allen identisch. Unterschiede gibts primär bei Design, Sitzposition, Abstimmung und dem Antrieb.

Das erklärt auch, warum die Velos preislich nicht gross unterschiedlich sind. Juna und Axel kosten 2990 Franken, Stout und Stellar 3090 Franken und der minimalistisch designte Curt 3390 Franken. Schauen wir uns die Modelle kurz im Detail an.

Juna hat einen niedrigen Rahmen, den es in zwei Grössen gibt. So ist das E-Bike für Menschen ab 150 Zentimetern geeignet. Man sitzt aufrecht und entspannt. Für viele ungewohnt dürfte der Riemenantrieb mit nur einem Gang sein – dazu weiter unten noch mehr.

Axel ist das Pendant mit hoher Rahmenstange und in zwei grösseren Rahmenvarianten. Juna wie Axel haben recht dicke Reifen und wirken auch sonst sehr robust und stabil.

Auch Stout und Stellar sind Geschwister – Stout in grösseren Grössen, Stellar mit niedrigem Rahmen und bequemem Aufstieg. Sie gehen optischmehr in Richtung City-Bike und sind etwas feiner designt. Und: Es gibt sie mit einer konventionellen 9-Gang-Schaltung.

Curt ist vom Design her absolut minimalistisch. Mit 14,4 Kilogramm ist er nochmals zwei Kilogramm leichter als die anderen Modelle. Die mattschwarze Lackierung ist ein Hingucker, und nicht nur die Optik ist sportlich, sondern auch die Sitzposition. Curt gibts gleich in drei Grössen und wahlweise mit Karbon-Riemenantrieb von Gates oder einer 11-Gang-Schaltung von Shimano.

Wo steckt bloss der Akku?

Allen Modellen ist gemeinsam, dass man ihnen auf den ersten Blick gar nicht ansieht, dass es E-Bikes sind. Der Motor ist am Hinterrad versteckt, der Akku und die Elektronik direkt in den Rahmen eingebaut.

So sind die Ampler-Modelle im Vergleich zu vielen etwas unförmigen E-Bike-Konstruktionen mit angehängtem Akku um eine Klasse eleganter und schöner.

Auch sonst hält sich der Hersteller zurück mit verrückten Features – alles wird auf den Alltagsnutzen reduziert. Die Bedienung erfolgt über einen Knopf unten am Rahmen – dort findet man auch ein Display mit den wichtigsten Infos.

Wie weit ist man schon gefahren, wie lange reicht der Akku noch, welche Unterstützungsstufe hat man gewählt? Viel mehr Infos gibts nicht. Und der Screen schaltet sich auch aus, sobald man lostrampelt. Eigentlich ganz vernünftig: Ampler will nicht, dass man während des Fahrens auf einen Bildschirm schaut und abgelenkt ist.

Das Ziel des Herstellers: Man soll einfach aufsteigen und losfahren, alles andere passiert automatisch. Die Userinnen und User sollen ein Velogefühl bekommen und nicht den Eindruck haben, dass sie auf einem technischen Gerät sitzen.

Dafür wurde bei der zweiten Generation durchaus auch zurückbuchstabiert. So gabs bei der ersten Generation noch schicke fünf LEDs als Rücklichter, die direkt unter dem Sattel in den Rahmen eingebaut waren.

Das sah schön aus, war aber unpraktisch, weil die Lichter verdeckt wurden. Durch lange Jacken etwa oder durch Dinge, die auf den optional erhältlichen Gepäckträger geschnallt wurden. Nun ist das Licht weniger schick, dafür praktischer, direkt ins Schutzblech eingebaut. Und man kann es so einstellen, dass es immer leuchtet, wenn man fährt – wie es neu das Schweizer Gesetz verlangt.

So fühlt sich die erste Testfahrt an

Das gelingt wirklich gut. Wir starten mit dem Bestseller, dem bequemen Stellar mit konventioneller 9-Gang-Schaltung. Man drückt den Powerknopf, steigt auf und fährt los. Wir starten mit Stufe 3, der stärksten Unterstützung.

Das Anfahren ist so ein Kinderspiel, auch wenn der Testfahrer nicht gerade ein Leichtgewicht ist. Aber der Kraftaufwand ist bescheiden, und schon düst man zügig durch den Stadtverkehr. Bis 25 km/h gibts Unterstützung durch den Elektromotor in der Hinterradnabe.

Vom Motor merkt man nur, dass es so leicht geht. Weder das Zuschalten noch das Abschalten ab 25 km/h ist spürbar. Kein Ruckeln, kein Zögern – die Übergänge sind nahtlos, auch wenn man zusätzlich noch Gänge schaltet.

Das alles wirkt so harmonisch, dass man wirklich schnell vergisst, dass man auf einem E-Bike sitzt. Übrigens auch, wenn man den Motor ganz abschaltet oder der Akku leer ist. Dann tritt man einfach mit eigener Kraft in die Pedale. Auch das fühlt sich genau so an wie bei einem normalen Velo.

Die Technik reicht locker aus

Der E-Motor leistet 250 Watt, die 336 Wh grosse Batterie hält für 50 bis 100 Kilometer, je nach Fahrweise und gewählter Unterstützungsstufe. Das alles sind keine Bestwerte. Es gibt viele E-Bikes, die mehr leisten oder länger durchhalten. Aber die sind dann oft auch 1000 bis 2000 Franken teurer.

Mit den Ampler Bikes gewinnt man keine Wettrennen, aber man kommt entspannt und locker von A nach B. Ideal für den Stadtverkehr oder Ausflüge im Mittelland. Wer Pässe bezwingen will oder querfeldein rast, der wird sich sowieso nach anderen Modellen umschauen.

Das getestete E-Bike kann man dafür ganz locker auch mal über eine kleine Stufe tragen, weil es eben deutlich unter 20 Kilogramm wiegt und nicht deutlich mehr wie einige der Konkurrenten.

Was würde man sich noch wünschen? Vielleicht eine optionale Halterung fürs Smartphone, falls man mal ein Navi braucht. Idealerweise gleich mit drahtloser Lademöglichkeit. Oder vielleicht auch, dass die App noch etwas mehr Funktionen bietet.

Ja genau, man kann das Bike auch mit dem Handy verbinden. Dort Updates laden oder Statistiken abrufen. Die beste Funktion ist sicher, dass das Ampler Velo ein GPS hat und man laufend den Standort des Bikes sieht. Und eine Benachrichtigung erhält, wenn es bewegt wird, ohne dass man selber draufsitzt. Zudem lässt sich auch der Motor sperren, so dass das Velo bei Diebstahl unverkäuflich ist.

Gangschaltung oder Riemenantrieb?

Als zweites Modell fahren wir noch mit einem Axel. Das ist etwas robuster und etwas sportlicher als Stellar, aber trotzdem noch sehr gut für die City. Der grosse Unterschied ist der Antrieb: Statt einer normalen Gangschaltung ist ein Riemenantrieb ganz ohne Schaltung eingebaut.

Das hat Vorteile – aber auch Nachteile. Ein Riemen ist total wartungsarm und unkompliziert. Natürlich auch zum Fahren. Man steigt auf und fährt los. Kein Schalten, keine Kette, die herausspringen könnte, keine Gedanken darüber, ob man im richtigen Gang ist.

Aber eben: Die Übersetzung ist voreingestellt. So ein mittlerer Gang: Beim Losfahren muss man schon mehr Kraft aufwenden – auch auf Stufe 3. Und bei 25 km/h kurbelt man schon etwas schneller als gewohnt mit den Beinen. Schneller wird man kaum fahren wollen.

So ist es schlussendlich eine Geschmacksfrage, ob man lieber schalten möchte oder eben nicht. Am besten probiert man das mal auf einer Testfahrt aus.

Diesem Velo sieht man das E-Bike gar nicht an

Die Ampler Bikes sind nicht billig, aber preiswert. Sie punkten im ersten Test mit dem wirklich sehr schicken Design und einer hohen Alltagstauglichkeit. Einen Nachteil hat das Konzept: Man muss nämlich mit dem Velo jeweils direkt zur Steckdose, da man den Akku nicht herausnehmen kann.

Wenn das kein Problem ist, dann gibts bei Ampler eine grosse Auswahl an Modellen für jeden Geschmack. Etwas sportlicher oder etwas bequemer. Mit Riemenantrieb oder mit Schaltung. Und auch jeweils in verschiedenen Rahmengrössen.

Obwohl man alle Bikes online bestellen und auch kostenlos innert 14 Tagen zurückgeben kann, ist eine Testfahrt vorher zu empfehlen. Schon alleine, um das richtige Modell zu finden. Und nicht jetzt ein Velo zu bestellen, das dann im Juli oder August verschickt wird – und dann doch nicht passt.